22.04.2016 | Sabine Wiedemann Neues Video Franziska Pietsch / Prokofjew

Prokofjews Werke bilden in besonderem Maße Facetten der Biographie von Franziska Pietsch ab: Sie genoss als Nachwuchstalent der DDR nachhaltige staatliche Förderung; ihre musikalische Prägung fand so zunächst innerhalb der osteuropäischen Schule statt. Prokofjews Musik liegt ihr insofern auch aufgrund ihrer eigenen musikalischen Sozialisation. Seine beiden Violinsonaten stehen wie zwei gegensätzliche Pole in seinem Schaffen - und auch das Leben von Franziska Pietsch bewegte sich zwischen Extremen:
Die staatliche Förderung führte zu frühen Erfolgen in der DDR. Nach der Flucht des Vaters in den Westen 1984 folgten hingegen zwei Jahre voller Repressalien durch das Regime, die das Musikverständnis von Franziska Pietsch intensiv geprägt haben: Jeglicher Möglichkeit zu Konzerten und Instrumentalunterricht beraubt, wählte sie als Weg der Hoffnung gegen Verzweiflung, Ablehnung, Angst und Willkür den Weg nach innen. Die Musik wurde zur einzigen Sprache, in der sie sich im Rückzug frei ausdrücken konnte, sie gab ihr die nötige Kraft, um anden äußeren Umständen nicht zu zerbrechen und weiter auf ein Leben in Freiheit zu hoffen. Hier gründet die Intensität und die künstlerische Tiefe, mit der Franziska Pietsch bis heute musiziert.

Die beiden Sonaten, die Prokofjew nach seiner Rückkehr in die Sowjetunion überwiegend zwischen 1938 und 1946 schrieb, könnten gegensätzlicher nicht ausfallen: tragisch die Erste in f-Moll, Prokofjews „Appassionata", vorwiegend heiter und gelöst die Zweite in D-Dur, die ursprünglich für Flöte und Klavier komponiert wurde. Prokofjew arbeitete sie selbst mit David Oistrach als Ratgeber um. Auch die Neufassung der Cinq mélodies, die er 1919/20 als klavierbegleitete Gesangsstücke ohne Text geschrieben hatte, stammt von ihm selbst. Drei wesentliche Aspekte seines Künstlertums sind in diesen Kammermusikwerken konzentriert: seine Fähigkeit zur ungebrochenen, emotional intensiven melodischen Linie, seine oft verborgene tragische Seite und seine klassizistische Neigung.




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